Printed in
Diplomatic Documents of Switzerland, vol. 10, doc. 272
volume linkBern 1982
more… |▼▶Repository
Archive | Swiss Federal Archives, Bern | |
▼ ▶ Archival classification | CH-BAR#E6100A-12#1000/1912#10* | |
Old classification | CH-BAR E 6100(A)-12/1000/1912 5 | |
Dossier title | Welt-Wirtschaftskonferenz, London 1933 (Dossier Nr. 454) (1933–1933) | |
File reference archive | F.01-21 |
dodis.ch/45814
Am 16. dies fand unter dem Vorsitz des Vorstehers des Finanz- und Zolldepartementes die vorgesehene Besprechung mit hervorragenden Vertretern der Banken statt2,
um zuhanden des Bundesrates zu erfahren, was für finanzielle Richtlinien nach der Auffassung der Fachleute für die schweizerische Delegation an der Londoner Weltwirtschaftskonferenz massgebend sein sollten. Wir haben die Ehre, Ihnen darüber folgenden Bericht zu erstatten.
Ohne weitere Erörterungen betrachtete man es als selbstverständlich, dass alle diejenigen Länder wieder zur Goldwährung zurückkehren sollten, die sie verlassen haben. Übereinstimmend herrschte der Eindruck vor, dass der Londoner Konferenz, damit sie zu praktisch wertvollen Ergebnissen gelangen könne, eine Einigung der beiden weltwirtschaftlich führenden Länder Amerika und England voranzugehen hätte. Ausserdem müssten sich die Goldwährungen, um dauerhaft zu sein, auf gefestigte Zahlungsbilanzen stützen können. Das will heissen, die Stabilisierung der Währungen und die Rückkehr zum Golde setze voraus, dass die Frage der internationalen Verschuldung gelöst werde. Eine blosse Herabsetzung der Schuldzinsen wäre jedoch von geringem Wert, weil verschiedene Länder auch die niedrigeren Zinsen nicht aufzubringen vermöchten. Die Schweiz sollte mit ändern valutarisch gesunden Ländern eine gemeinsame Front bilden, die Amerika und England gegenüber das Begehren stellen könnte, alles zu tun, um zunächst zwischen diesen beiden Ländern die Schulden- und Währungsfrage zu regeln.
War man allgemein skeptisch mit Bezug auf die praktischen Ergebnisse der Londoner Konferenz, so schien anderseits niemand Zweifel zu hegen, dass im Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland3 praktisch viel erreicht werden könne, sofern die Handelspolitik in den Dienst der Schuldenregelung gestellt werde. Die Verhandlungen mit Deutschland wurden durchwegs als viel wichtiger denn die Londoner Besprechungen hingestellt. Der Importüberschuss der Schweiz im Warenverkehr mit Deutschland sollte dazu verwendet werden, Kompensationen für unsere deutschen Guthaben und Zinsforderungen zu erhalten, und zwar, wie betont wurde, schon in den gegenwärtigen Handelsvertragsverhandlungen mit Deutschland. Zum mindesten wäre den Deutschen gegenüber der Vorbehalt zu machen, dass das künftige Handelsabkommen innerhalb 24 Stunden gelöst werden könne, wenn die Zinsüberweisungen nicht genügten. Tatsächlich werde in Deutschland die Frage eines Transfer-Moratoriums ernsthaft geprüft. Es wurden dabei auch einige Zahlen genannt: Nach amtlichen deutschen Schätzungen betrugen die kurz- und langfristigen Forderungen der Schweiz gegenüber Deutschland Ende September des letzten Jahres 2,7 Milliarden Mark4
; Deutschland hätte das Jahr endend mit dem letzten September für 186 Millionen Mark Zinsen an die Schweiz abgeliefert. Diese Schätzungen wurden jedoch als übertrieben bezeichnet. Die schweizerischen Forderungen beliefen sich auf höchstens 1 Zi bis 2 Milliarden Franken, und der Zinsendienst brachte der Schweiz in der angeführten Zeitspanne wahrscheinlich nicht mehr als 120 bis 150 Millionen Franken aus Deutschland ein.
Anderseits besitze Deutschland grössere Forderungen in der Schweiz als umgekehrt die Schweiz in Deutschland, und zwar bis auf einen verhältnismässig geringen Betrag in Form schweizerischer Titel. Die Guthaben bei schweizerischen Banken seien nicht mehr sehr beträchtlich. Während einer der Sachverständigen dafür hielt, dass deren Betrag 150 Millionen Franken nicht übersteige, schätzte man sie von anderer Seite bedeutend höher ein. Gestützt auf diese Zahlen wurde gefordert, dass, sofern Deutschland seine Zahlungsunfähigkeit erkläre, die Schweiz unverzüglich auf diese deutschen Gegenforderungen greifen sollte.
Soweit die Richtlinien finanzieller Natur, die sich aus den Verhandlungen mit den Bankvertretern ergaben. Wir halten dafür, dass sie eine geeignete Grundlage sowohl für die Einstellung der schweizerischen Delegierten an der Londoner Weltwirtschaftskonferenz bilden als auch für die besondern Verhandlungen der Schweiz mit Deutschland, und stellen den Antrag:
1. Der schweizerischen Delegation für die Weltwirtschaftskonferenz, die am 12. Juni in London beginnt, sind folgende Instruktionen finanzieller Natur zu erteilen:
a) Mit den Delegationen der ändern Länder, die gegenwärtig noch an der Goldwährung festhalten, ist Fühlung zu nehmen, um eine gemeinsame Front der Goldwährungsländer anzubahnen und dadurch den Willen der Konferenz zu stärken, die ändern Länder zu verpflichten, früher oder später zum Golde zurückzukehren.
b) In der Meinung, dass die Konferenz nur dann wirklich praktischen Erfolg zeitige, wenn sich Grossbritannien und die Vereinigten Staaten vorgängig oder zu Beginn der Konferenz sowohl über die Rückkehr zum Golde als auch über die staatliche Verschuldung geeinigt haben, sind dahingehende Bestrebungen möglichst zu unterstützen.
c) Gelingt eine Verständigung zwischen den beiden grössten Wirtschaftsgebieten, dann scheint eine gleichgerichtete Verständigung unter den übrigen, an der Konferenz teilnehmenden Ländern möglich zu sein.
2. Die schweizerische Delegation an den gegenwärtig stattfindenden Handelsvertragsverhandlungen mit Deutschland ist anzuweisen, dass sie auch die Interessen der schweizerischen Gläubiger deutscher Schuldverpflichtungen wahre und zu deren Gunsten den Umstand in die Waagschale werfe, dass die Handelsbilanz mit Deutschland für die Schweiz stark passiv ist.